Freitag, 11. Oktober 2013

Der alltägliche Wahnsinn – Kindergarten


Jeden Morgen von Montag bis Freitag, außer Donnerstag, arbeite ich von 8.00-12.00 Uhr im Kindergarten den SOS Dorfes. Dorthin kommen nicht nur 4 Kinder aus dem SOS Dorf sondern auch Kinder aus ganz Tsumeb. Im Kindergarten gibt es insgesamt 4 Klassen, die blue class, die yellow class, die die green class und die red class. Eine Klasse ist für die Kinder die nächstes Jahr in die Schule gehen, eine Klasse für die Babies und die beiden anderen für die restlichen Kinder. Insgesamt gibt es 4 Teacher (die Kinder nennen alle Kindergärtnerinnen Teacher, selbst uns) für fast 80 Kinder. Allerdings ist die eine Lehrerin gleichzeitig auch die Direktorin weshalb ihre Klasse immer bei der Baby Klasse dabei ist. Jeder Freiwillige ist einer Lehrerin zugeteilt. Ich bin in der Blue Class bei Teacher Maria. Die Kinder dort sind alle schon etwas älter als die Kinder in der Baby Klasse. Am Anfang hatten wir große Probleme im Kindergarten arbeiten zu können, da sie wohl dachten, dass wir ein besonderes Programm benötigen würden und so sagten sie jeden Tag, dass sie unsere Hilfe nicht benötigen würden. Nachdem wir allerdings klar gestellt hatten, dass wir einfach nur dabei sein wollen um den Lehrern zu helfen. Nachdem sie dies verstanden hatten, wurden wir auch sofort in ihre Arbeit integriert. Jeden  Morgen wenn ich um 8 Uhr in die Klasse komme, sitzen die Kinder brav an ihrem Tisch, mucksmäuschenstill und warten auf mich und ihre Lehrerin, die meistens noch mit den anderen Lehrern redet. Dann werden erst einmal Zähne geputzt. Allerdings hat gerade einmal ein bisschen mehr als die Hälfte aller Kinder eine Zahnbürste im Kindergarten, sodass die anderen Kinder ihre Zähne nicht putzen können. Nachdem sie die Zähne geputzt haben, dürfen sie entweder etwas malen oder spielen. Allerdings spielen Mädchen und Jungen getrennt. Die Jungs spielen mit Autos, die Mädchen mit einer Puppenküche. Um ca. viertel vor 9 wird aufgeräumt und die Kinder stellen sich getrennt nach Mädchen und Jungen in zwei Reihen vor der Tür auf. Dann dürfen erst die Mädchen zur Toilette laufen und dann die Jungs. Dabei wird sehr darauf geachtet, dass sie nicht rennen und jeder seinen Vordermann festhält. Wenn sie auf der Toilette waren, stellen sie sich mehr oder weniger in einer Reihe beim Waschbecken auf und bekommen etwas Seife um ihre Hände zu waschen. Sobald sie fertig sind, laufen sie zu ihrer Klasse und stellen sich dort wieder getrennt in 2 Reihen auf. Sobald alle Kinder fertig sind, gehen sie in ihre Klasse und machen einen Kreis. Dann singen sie ein paar Lieder, hauptsächlich religiöse Kinderlieder und am Ende beten sie zusammen. Die Lehrerin spricht dabei einen Satz vor und alle Kinder sprechen ihn nach. Das Gebet ist entweder in Englisch, Afrikaans oder Damara, der Heimatsprache der Lehrerin. Das ist übrigens die Sprache mit den Klicklauten und es ist total süß wenn 25 Kinder zusammen die Klicklaute machen. Nach dem Gebet gibt es meistens eine kurze Unterrichtseinheit in der sie etwas über z.B. den Frühling oder Bäume oder Blumen lernen, dann dürfen sie dazu noch etwas malen und um halb 10 gehen sie dann raus zum Frühstücken. Bevor die meisten Kinder allerdings frühstücken, gehen sie mit ihren Brotboxen oder Chipstüten zu jedem Teacher, sodass diese ihr Essen probieren können. Die Lehrerinnen erzählten uns, dass wenn man das Essen der Kinder nicht probiert, und sei es ein nur noch so kleiner Krümel, die Kinder zu den Eltern gehen und ihnen sagen ihr Essen sei schlecht, weil die Lehrerin es nicht probiert hat. Dadurch dass man ständig probieren muss, haben wir schon die merkwürdigsten Dinge in den Brotboxen der Kinder gesehen. Von kalten Pommes, die allerdings sehr beliebt sind, über Nudelsalat, Rührei  und Pizza war neben dem normalen Brot schon alles dabei. Sehr beliebt sind auch kleine Chipstüten und extrem süße Säfte. Nachdem man dann also einmal alles durchprobiert hat, haben wir eigentlich nichts mehr zu tun, denn nach dem Essen dürfen die Kinder bis sie abgeholt werden nach Herzenslust spielen, schreien und rumtoben. Die meisten Kinder werden so gegen 12 Uhr abgeholt, entweder kommt ein Taxi, das ist hier so üblich und jedes Kind weiß wie sein Taxi aussieht, oder die Eltern oder Geschwister holen sie ab, dann meistens zu Fuß. Anfangs war ich die ersten Tage schon etwas schockiert in welchem Ton die Lehrerin mit den Kindern redet und dass die Kinder nur flüstern, wenn sie malen. Als mich die Lehrerin allerdings nach ein paar Tagen mit den Kindern alleingelassen hat und ich den Tag mit ihnen gestalten sollte, war mir auch klar warum. Die Kinder sind größtenteils sehr schlecht erzogen. Solang die Lehrerin da ist, sind sie still und machen was ich sage, wenn die Lehrerin allerdings weg ist, werde ich kaum noch ernst genommen und die Kinder sind extrem laut und wenn sie in einer Reihe stehen kommt es fast jeden Tag zu kleinen Prügeleien um die Plätze in der Reihe. Egal ob ich laut werde oder nicht die Kinder ignorieren mich ganz gerne mal und spielen einfach weiter anstatt aufzuräumen. An manchen Tagen funktioniert es mehr, an manchen weniger. Daher hatte ich am Ende der ersten Woche im Kindergarten keine Stimme mehr, weil ich immer so laut mit ihnen reden musste. Nachdem ich ihnen allerdings angedroht hatte, dass ich nicht mehr komme, hörten sie schon ein bisschen besser auf mich. Das Problem ist auch, dass sie mich zwar Teacher nennen, mich aber nicht so behandeln, beziehungsweise anders mit mir umgehen. Sobald ich in die Klasse komme und Guten morgen sage, stürmen alle Kinder auf mich zu und rufen „Teacher Lara, Teacher Lara“ und wollen mich am liebsten alle gleichzeitig umarmen. Das würden sie bei ihrer echten Lehrerin nie machen. Zudem spiele ich immer mit ihnen mit, wenn sie freie Zeit in der Klasse haben. Besonders die kleinen Jungs versuchen mich ganz gerne mal zu provozieren und stören dann die ganze Gruppe, weil sie sich auch einfach manchmal anfangen zu prügeln. Nachdem der letzte Junge dann allerdings versucht hat zu stören, wurde er kurzerhand weggesetzt und durfte nicht mit den anderen zusammen malen, sondern musste ihnen dabei zusehen. Sofort hat man gemerkt wie die ganze Gruppe leiser wurde. Im Moment übe ich Verse mit ihnen für die Graduation Party, weil die Schulkinder bald in die Schule kommen. Das ist immer etwas schwierig, weil die meisten Kinder extrem leise reden. Ich kann jetzt auch eigentlich alle Namen von Kindern, bis auf einen Namen, denn der hat leider gleich zwei Klicklaute in seinem Namen. Der Junge fühlt sich leider weder angesprochen wenn ich den Namen ohne Klicklaute ausspreche, als auch wenn ich versuche die Klicklaute zu machen. Die Kinder versuchen mir immer wieder den Namen vorzusprechen, aber ich habe das Gefühl, dass sich die Klicklaute immer anders hören. Mittlerweile verstehen sie schon wen ich meine, wenn ich mühsam versuche den Namen auszusprechen und rufen ihn dann für mich. Inzwischen habe ich aber auch da schon richtige Erfolgserlebnisse wenn ich den Namen ausspreche und die Kinder mir sagen, dass es genau so richtig war.

Diese Woche hatte ich die Klasse für mich alleine, weil meine Lehrerin nicht da war. Nachdem die ersten Tage mehr oder weniger gut funktionierten, kam in der Mitte der Woche eine Lehrerin der anderen Klasse und meinte zu den Kindern, dass sie auch auf mich hören sollten und leise sein sollten. Danach verliefen die restlichen Tage der Woche schon wesentlich einfacher und vor allem etwas leiser, zumindest so lange sie in der Klasse waren und etwas zu tun hatten.

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